Nachfolgend Beispiele für die zumindest teilweise grundgesetz widrigen Verflechtungen zwischen Staat und zwei privilegierten Religionsgemeinschaften:
(Nach: Prof.Dr. Uwe Lehnert)
- Theologische Fakultäten als Pfarrer ausbildende Institutionen an staatlichen Universitäten, Finanzierung durch den Staat;
- Mitspracherecht des Papstes, also einer ausländischen Macht, bei der Errichtung und Schließung von katholisch-theologischen Lehrstühlen in Deutschland;
- Vetorecht der katholischen Kirche bei der Besetzung sogenannter Konkordats-Lehrstühle (betreffend Philosophie, Soziologie, Geschichte, Pädagogik u.a.);
- Religion als ordentliches und benotetes Schulfach in eigentlich weltanschaulich neutralen Schulen, wobei die Religionslehrer vom Staat finanziert werden;
- Einflussnahme auf schulische und berufliche Lehrinhalte durch christlich-religiöse Minister (Beispiel Bundeswehr: Der verpflichtende »Lebenskundliche Unterricht« erfolgte bislang für alle Militärangehörigen durch die Militärpfarrer. Beispiel Polizei: Der verpflichtende »Berufsethische Unterricht« erfolgt für alle Polizeibeamten durch die Polizeipfarrer. Beispiel Sachsen, 2006: Die staatlichen Bildungspläne für die Kitas sollten durch Papiere der evangelischen Landeskirche in Form von »Glaubenserfahrungen« ergänzt werden, konnte im letzten Moment verhindert werden);
- zunehmende Verquickung von offiziellen Staats- und Trauerakten mit kirchlichen Gottesdiensten, ähnliche Tendenzen auch bei der Bundeswehr bei Trauerfeiern; immer öfter »Einsegnungen« von öffentlichen Gebäuden;
- Gehälter und Pensionen von Bischöfen, Kardinälen, Domherren u.a. samt Nebenkosten aus allgemeinen Steuermitteln;
- staatliche Zuschüsse zu den Kirchentagen in teilweise zweistelliger Millionenhöhe aus allgemeinen Steuermitteln (Beispiel: Zweiter Ökumenischer Kirchentag München 2010: Gesamtkosten 26 Mio. Euro, davon übernahmen die Kirchen je 2,5 Mio., den Rest fast vollständig der Bund, Land Bayern und Stadt München);
- Kirchensteuereinzug durch die staatlichen Finanzämter;
- jahrelang erfolgter, zwangsweiser und nicht rückerstattungsfähiger Kirchensteuerabzug beim Arbeitslosengeld, auch wenn keine(!) Kirchenmitgliedschaft vorlag (inzwischen aufgehoben);
- kirchliches Arbeitsrecht über staatlichem Arbeitsrecht stehend, mit weniger Rechten für den Arbeitnehmer in konfessionellen Kindertagesstätten, Schulen, Krankenhäusern (z. B. kein Streikrecht, Zwangsmitgliedschaft in der Kirche, fristlose Kündigung bei Glaubensverstößen - trotz fast vollständiger staatlicher Finanzierung);
- Alleinvertretungsanspruch der Kirchen in weltanschaulichen Fragen in den Rundfunk- und Fernsehräten;
- evangelische und katholische Rundfunkbeauftragte in den öffentlichen und privaten Rundfunk- und Fernsehanstalten mit eigenen Redaktionen, nichtreligiöse Weltanschauungen sind dagegen nicht zugelassen;
- feste Sendeplätze für die Kirchen in Rundfunk und Fernsehen;
- Besetzung von Ethikräten ganz überwiegend mit Theologen und Vertretern der christlichen Religion - trotz inzwischen 40 % nichtchristlicher Bürger;
- nicht kündbare Verträge (Konkordate) zwischen Staat und Kirche, die der Kirche dauerhaft Einfluss und vor allem Finanzmittel sichern (siehe z.B. Frerk, 2010 oder Czermak, 2008);
- massive finanzielle Unterstützung (in der Größenordnung von 90 bis 100%) konfessioneller, mit kirchlichen Sonderrechten ausgestatteter Kindertagesstätten, Schulen und Krankenhäuser durch den Staat und die Sozialkassen; mit staatlichen Geldern errichtete Bauten gehen in den Besitz der Kirchen über;
- Erhebliche Begünstigung der Kirchen als Körperschaften ö.R. durch Steuer- und Gebührenrecht: Keine Steuern für Tätigkeiten, die i.w.S. kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen (z.B. keine Körperschaftssteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Grundsteuer; Befreiung von Zinsabschlag- und Kapitalertragssteuer; keine Umsatzsteuerpflicht beim Betrieb kirchlicher Krankenhäuser oder Pflegeheime, im Gegensatz zu konkurrierenden kommerziellen Anbietern);
- Weitgehend Befreiung von Gerichts- und Notariatskosten in Zivilsachen klagender und beklagter Kirchenvertreter; gilt auch für die Großunternehmen Caritas und Diakonie;
- steuerliche Subventionierung der Kirchen und ihrer Einrichtungen von ca. 20 Milliarden Euro jährlich, aufgebracht durch alle Steuerzahler (z.B. Einnahmeverzicht durch Kirchensteuer als Sonderausgabe: 3 Mrd., Steuerbefreiungen: 2,3 Mrd., Kindertageseinrichtungen: 3,9 Mrd., Konfessionsschulen: 2,3 Mrd. - Daten aus 2009, nach Carsten Frerk 2010);
- selbstherrliches Umwandeln des im Grundgesetz (Artikel 140) festgeschriebenen Selbstverwaltungsrechts der Kirchen in ein umfassendes, kompetenzerweiterndes Selbstbestimmungsrecht (später bestätigt durch das kirchennahe Bundesverfassungsgericht);
- ständige Versuche des Gesetzgebers, Gesetze, obwohl letztlich religiös bzw. mit dem christlichen Weltbild begründet, auch für Nicht- und Andersgläubige verbindlich zu machen (Beispiele: Verbot der Embryonen- und Stammzellforschung, Verbot der Freigabe der Präimplantationsdiagnostik, Restriktionen bei Patientenverfügungen oder Sterbehilfe).